Schlechter hätte meine Heimreise nicht anfangen können: Mein Zug hätte ja um 9:14 abfahren sollen. Hätte sollen. Als ich nämlich um 9 Uhr am Bahnhof in Firenze ankam musste ich auf der Anzeigetafel in der Spalte «Ritardo» ein «30» lesen. 30 Minuten Verspätung bevor die Reise überhaupt angefangen hatte – das verhiess nichts gutes. Doch dann ein kleiner Hoffnungsschimmer: Der Zug der um 8:14 hätte abfahren sollen war um 9 Uhr immer noch dort (bzw erst dann) und endlich bereit zur Abfahrt. Ich freute mich schon, es klappe nun doch mit dem Anschluss. Weit gefehlt: Als ich den Kondukteur fragte, ob ich diesen Zug auch nehmen könne, gab es ein klares Nein. Der Zug sei voll. Ich erklärte ihm dann, ich könnte ja trotzdem einsteigen und notfalls halt stehen. Ich müsse bis in die Schweiz fahren und verpasse sonst die Anschlüsse. Das beeindruckte ihn nicht sonderlich: Die Reservation sei für den anderen Zug, basta. Wenn ich die ändern jetzt wolle, dann koste es 8 Euro. Das fand ich dann doch etwas gar übertrieben: 8 bezahlen weil der Zug Verspätung hat und dann möglicherweise noch bis Milano fast 3 Stunden lang stehen, nein das wollte ich nicht. Da hätte ich also eindeutig etwas mehr Entgegenkommen erwartet.
So musste ich also auf den gebuchten Zug warten. Aber halt – da war ja noch die (obligatorische) Reservation des Zuges von Milano nach Bellinzona. Den würde ich definitiv verpassen. Also, ab an den Schalter und für den Zug eine Stunde später reservieren. Nach einer Runde Anstehen kam ich endlich an den Schalter für internationale Billete. Und dort gings los mit der Bürokratie: Zug nachschauen, Ordner holen gehen, darin suchen. Altes Billet kopieren. Neues Billet drucken, dazu nochmals den Vor- und Nachnamen eingeben. Nochmals Suche nach dem gleichen Tarif wie das jetzt funktioniert mit dem GA. Aber nach gut einer halben Stunde war meine Reservation geändert. Immerhin hatte es nichts gekostet.
Nun hätte auch langsam mein Zug einfahren sollen. Dies tat er auch, aber nicht etwa nach einer halben Stunde Verspätung. Bei der Abfahrt hatten wir 43 Minuten Verspätung. Bis in Milano waren es 50 Minuten Verspätung.
Von meinen Sitznachbarn erfuhr ich dass bei diesen Zügen 50% des Ticketpreises zurückerstattet wird wenn der Zug mehr als eine halbe Stunde Verspätung hat. Dazu müsse man an den Informationsschalter gehen, ein Formular ausfüllen und dieses dann zusammen mit dem Billet in einen Umschlag tun und diesen in einen speziellen Briefkasten tun. Danach kriege man nach 2-3 Wochen einen Bon den man für eine nächste Fahrt nutzen könne. Ich schrieb die Adresse von Antonio (Kollege der in Milano arbeitet) auf, dem nützt der Bon mehr als mir. Das ganze System nennt sich übrigens «Bonus» – ob die wohl die Rückerstattungen für die Verspätungen vom Bonus des Managements abziehen? Dann müsste wohl das Management bald der Bahngesellschaft zahlen…
Im Zug nach Bellinzona musste ich noch die Reservation für das Postauto von Bellinzona nach Chur ändern. Das war aber per Telefon eine Sache von 27 Sekunden. Die Zollkontrolle ging für mich sehr rasch vorbei, jedoch wurden Nordafrikaner (vermutlich Marokko) in der nächsten Reihe von den Zöllnern aus dem Zug genommen.
Nach einer Stunde Wartezeit in Bellinzona fuhr endlich das Postauto Richtung Chur (via San Bernardino). Diese Fahrt kann ich jedem empfehlen. Geht (zumindest von Sargans aus) schneller als mit dem Zug und über mangelnden Komfort kann man sich wirklich nicht beklagen. Heute sass ich in einem Doppelstöcker – bisher hatte ich immer einstöckige Postautos erwischt. Die Postautos sind klimatisiert, fahren extrem ruhig, die Begrüssung und Verabschiedung durch den Chauffeur ist sehr freundlich – und sogar über ein WC verfügen diese Postautos!
Bei der Hinreise hatte ich einen Diretissima, also ohne Halt von Chur bis Bellinzona auf der normalen Route (Autobahn, San Bernardino-Tunnel). Heute war es ein «beschleunigter Eilkurs». Dieser hielt in Mesocco, San Bernardino Villagio, Splügen und Thusis. Damit dauerte die Fahrt etwas länger als mit dem Diretissima (2 Stunden statt 100 Minuten). Zudem ist ein Teil der normalen Route zur Zeit wegen Bauarbeiten gesperrt, so dass das Postauto die alte Bergstrasse um die Kurven hochkriechen musste.
Obwohl ich eigentlich in solchen Dingen überhaupt nicht ängstlich bin und z.B. am 13. September 2001 nach Vancouver geflogen wäre wenn es den Flieger gehabt hätte (so wurde es eine Woche später), hatte ich so kurze Zeit nach dem schrecklichen Unfall im Viamala-Tunnel schon ein mulmiges Gefühl. Die Säulen der Galerie am Tunnelende waren total verrusst und im Tunnel wurden die Wände langsam etwas dunkler bevor sie dann plötzlich ganz weiss und frisch gestrichen waren. Schrecklich!
Um 19:16 Uhr, über 10 1/2 Stunden nachdem ich das Haus in Firenze verlassen hatte, kam ich endlich in Sargans an. Am stärksten fielen mir die frische Luft sowie die Ruhe auf. Ein extremer Kontrast zu Firenze und dem Bahnhof in Milano!